Oliver Arend
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Peter, ja, ich sehe den Seitenwind als die Quelle des Anstellwinkels. Wenn Du nur einen entlang der Längsachse der Rakete schiebenden Antrieb hast, und genau senkrecht startest, hast Du bei Windstille auch einen Anstellwinkel von 0°. Und das bleibt den ganzen Flug über so. Wenn Du natürlich schräg startest oder gar bei Wind, dann ist der Anstellwinkel nicht mehr Null.
Christoph, ich stimme Dir nach wie vor zu dass das Stabilitätskriterium mit den Kalibern nicht besonders doll ist.
Aaaber, um noch ein paar Korinthen kacken zu dürfen (http://de.wikipedia.org/wiki/Korinthenkacker):
1. und 2.: l kürzt sich nach wie vor raus. Der Argumentation mit dem Regelkreisverhalten, die mittels einfacher Übertragungsgleichung beschrieben wird, kenne ich -- ist mir in meiner letzten Regelungstechnikprüfung auch passiert. Das trifft aber hier nicht zu. Die Kraft, oder vielmehr das Rückstellmoment, ergibt sich doch schon aus der Differenz der beiden x (Schwerpunkt und Druckpunkt), es sei denn die beiden sind dimensionslos. Dann darfst Du aber nicht mehr durch l teilen. Ebenso könnte man deltax/l zu einer dimensionslosen Kennzahl zusammenfassen, die für alle Raketen gleicher Form (und relativer Schwerpunktlage) gilt, und dann l als charakteristische Größe einer bestimmten Rakete einsetzen (so wie Auftriebsbeiwerte und Referenzfläche beim Flugzeug). Das Rückstellmoment ist von der Gesamtlänge der Rakete letztendlich vollkommen unabhängig. Das Verhalten der Rakete als Reaktion das Rückstellmoment ist wieder was ganz anderes, aber da müsstest Du J schon als Funktion von l ausdrücken (ml^2/12 oder so...).
3. und 5.: Ach ja, der Hauck. Da hatte Rolf an uns beiden also viel zu tun, oder? Ich hab ihn grad durchgeblättert aber nichts gefunden. Ich denke mal dass die 10-15% für "übliche" pfeilstabile Geschosse, oder eben Raketen, zutreffen. So wie es auch der Fall ist für die allermeisten "üblichen" Modellraketen. Ich stimme Dir zu, dass 10-15% eine gute Pi-mal-Daumen-Lösung ist, schon um einiges besser als 1-2 Kaliber. Es ging mir aber auch um Extremfälle, bei denen so eine Regel zur Instabilität oder Überstabilität führen kann. Um den idealen Wert zu bestimmen müsste man doch wieder jede Rakete einzeln betrachten und vor allem die Dämpfung nicht vernachlässigen. Das ist wie bei der Flugbahnberechnung: Zuerst überschlägt man grob ohne Luftwiderstand, dann mit, und am Ende lässt man den Computer alles einzeln durchrechnen. Dasselbe Spiel kann man hier, in vermutlich noch höherem Maße, auch treiben.
6., damit der Post hier auch mal konstruktiv wird: Ich habe mal eben RockSim 5 befragt, eine mögliche Rakete wäre z.B.: Nosecone ogiv: L 100 mm, D 25 mm Körperrohr: L 250 mm, D 25 mm Flossen: n 4, root 50 mm, tip 25 mm, semi span 25 mm, sweep 12,5 mm, vorderster Teil der Flossen 117 mm hinter der Vorderkante des Körperrohrs (die könnte man auch kleiner machen und weiter nach hinten legen) Natürlich ist das Teil sehr klein und leicht, so dass man bereits einiges an Gegengewicht für den Motor bräuchte, aber es geht ums Prinzip. Der Druckpunkt nach Barrowman liegt hier 200 mm hinter der Spitze der Rakete, der Druckpunkt nach Schattenrissmethode ebenfalls. Die Mühle sieht in der Seitenansicht schon so aus als ob sie bei Seitenwind nicht genau wüsste in welche Richtung sie sich drehen soll... Hier den Schwerpunkt so einstellen dass er nur ganz knapp vorm Druckpunkt liegt und dann bei starkem Wind relativ langsam starten. Was passiert?
Oliver
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tr0815
Raketenbauer
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Zitat:
1.) Wenn Du natürlich schräg startest ... , dann ist der Anstellwinkel nicht mehr Null. 2.) J schon als Funktion von l ausdrücken (ml^2/12 oder so...). 3.) Ach ja, der Hauck. Da hatte Rolf an uns beiden also viel zu tun, oder? 4.) damit der Post hier auch mal konstruktiv wird: Ich habe mal eben RockSim 5 befragt ...
zu 1.) Bedeutet das, dass z.B. das Leitröhrchen schräg angeklebt wurde? zu 2.) Vielleicht lässt sich da was machen? Man müsste es sich genauer ansehen ... zu 3.) Da habe ich jetzt wirklich den Faden verloren ... Wie soll ich das verstehen? zu 4.) meine Rechnung als Excel-Tabelle Christoph
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Oliver Arend
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1. Nein, das bedeutet dass die Rampe nicht vertikal (ugs. also "schräg" ;-) ausgerichtet wurde, um die Rakete von den Zuschauern weg zu starten oder um den Wind auszugleichen.
2. Müsste man. Aber da geht l quadratisch ein, und so homogen sind unsere Rakete vielleicht auch wieder nicht.
3. Mmh, ich hab das Buch vom Hauck über Rolf Ruckdeschel bestellt, ich hatte mir gedacht dass das bei Dir genauso war.
Oliver
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tr0815
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@Oliver 1. Nein, das bedeutet, dass die Rampe nicht vertikal ausgerichtet wurde, ... Es ist Windstille und wir starten die Rakete mit 45° (ugs. schräg). Wie groß ist dabei der "Angle of Attack"?
zu 2.) man muss schon etwas Zeit haben und ein paar Vereinfachungen machen: für einen Zylinder z.B. habe ich im Hinterkopf irgendetwas mit (r^2+l^2) r^2 = (l/10..20)^2 würde ich weglassen usw. usf. ...
zu 3.) ich suche immer auf zvab oder eurobuch ... zu Hauck kam ich erst über Wolff ...
Christoph
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Oliver Arend
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1. Zu Anfang Null. Dann fängt die Rakete aber an, durch die Erdbeschleunigung von ihrer geraden Flugbahn abgelenkt zu werden, und der Anstellwinkel ist nicht mehr Null, da die Rakete sich ja nicht unmittelbar auf die neue Anströmung einstellen kann. Das Ganze wird bei den Großen auch Gravity Turn genannt, ist angeblich die treibstoffsparendste Maßnahme von einer leichten Auslenkung von der Vertikalen in die Horizontale für den Orbit zu kommen. 4. Es wäre nett wenn Du da noch was zu sagen könntest, ich könnte jetzt zwar raten und damit viel Zeit verbringen, aber obs nachher auch stimmt ist wieder was anderes. Oliver
Geändert von Oliver Arend am 10. Januar 2007 um 18:19
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tr0815
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Hi, zu 1.) Sind wir noch bei Modellraketen? Wie groß ist der Effekt im Vergleich zur Motorexzentrietät? zu 4.) Alle Angaben sind normiert auf den Durchmesser. Der Druckpunkt liegt in beiden Fällen bei ca. 81% der Gesamtlänge. Christoph
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Oliver Arend
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1. Ja, sind wir. Trägerraketen können Ihren Anstellwinkel mittels Schubvektorsteuerung beliebig regeln, wir können das nicht. Der Effekt bei 45° Startwinkel liegt ersten überschlägigen Rechnungen zufolge bei 4-5°/s. Das sollte eine, vor allem kleinere, Rakete jedoch ohne weiteres ausgleichen können.
Oliver
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Peter
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Zitat: Original geschrieben von Oliver Arend Peter, ja, ich sehe den Seitenwind als die Quelle des Anstellwinkels. Wenn Du nur einen entlang der Längsachse der Rakete schiebenden Antrieb hast, und genau senkrecht startest, hast Du bei Windstille auch einen Anstellwinkel von 0°. Und das bleibt den ganzen Flug über so. Wenn Du natürlich schräg startest oder gar bei Wind, dann ist der Anstellwinkel nicht mehr Null.Oliver
Das will mir nicht recht einleuchten. Barrowman sagt, daß seine Methode bis maximal sowas wie 10 oder 15° Anstellwinkel anwendbar ist. Bei einer senkrecht startenden Rakete kommt der Seitenwind aber im Winkel von 90° daher. Argument 2: Ist es nicht paradox, daß eine besonders stabil geflügelte Rakete vom Seitenwind umso stärker abgelenkt wird, während eine knapp stabile Rakete der Quelle des Anstellwinkel besseren Widerstand entgegenbringt? Ich meine, es muß für den Anstellwinkel auch andere Gründe geben. Zum Beispiel Turbulenzen im Abgasstrahl oder Abweichungen der Rakete von einer idealen Symmetrie. Der Seitenwind mag ja eine gewisse Rolle spielen, aber in erster Linie führt er dazu, daß eine stabile Rakete schräg in den Wind fliegt, und zwar auf einer stetigen Kurve. Je schwächer die Beschleunigung, je mehr "Stabilitätskaliber" und je stärker der Wind desto kräftiger neigt sich die Flugbahn, wobei ein Langbrenner wie Held 1000 im Extremfall vor Brennschluß auf dem Boden landen könnte. Außerdem behaupte ich, daß der Wind die Rakete "seitlich wegschiebt", was natürlich eine untergeordnete Bewegung ist und durch die geneigte Flugbahn überkompensiert werden kann.
Geändert von Peter am 11. Januar 2007 um 22:14
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tr0815
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@Oliver Wie sieht diese Überschlagsrechnung aus?
@Peter Seitenwind mit 90°: 2-3 m/s Geschwindigkeit beim Verlassen der Rail: 20 m/s Anströmung: 2,8° - 8,5° Ich denke da passt Barrowman noch ganz gut.
Ich meine, es muß für den Anstellwinkel auch andere Gründe geben.
Bei Wolff und Hauck habe ich gelesen, dass die Schubexzentrietät, bedingt durch den Aufbau der Rakete, Gasausströmung usw. (innere Ballistik) einen wesentlichen Beitrag leistet.
Wenn Oliver seinen Überschlag liefert, könnte man ja einmal versuchen die Auswirkungen ins Verhältnis zu setzen.
Außerdem behaupte ich, daß der Wind die Rakete "seitlich wegschiebt", ...
Da könnte man schöne Experimente machen, um den Effekt zu bestimmen ... Ich habe aus einem anderen Grund so etwas schon in Planung.
Christoph
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Oliver Arend
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> Das will mir nicht recht einleuchten. Barrowman sagt, daß seine Methode bis maximal sowas wie 10 oder 15° Anstellwinkel anwendbar ist. Bei einer senkrecht startenden Rakete kommt der Seitenwind aber im Winkel von 90° daher. Christoph hat schon die Lösung gebracht. Es zählt die Geschwindigkeit beim Verlassen der Startführung, ansonsten startest Du mit 90° Anstellwinkel, und wenn Deine Rakete nicht zu träge ist wird sie einfach umkippen. In Richtung Wind wenn sie auch nach der Schattenrissmethode stabil ist, vom Wind weg wenn sie nach Schattenrissmethode instabil ist. > Argument 2: Ist es nicht paradox, daß eine besonders stabil geflügelte Rakete vom Seitenwind umso stärker abgelenkt wird, während eine knapp stabile Rakete der Quelle des Anstellwinkel besseren Widerstand entgegenbringt? Nein. "Besonders stabil" bedeutet ja großer Abstand zwischen Schwer- und Druckpunkt -> großer Hebelarm -> schnelles in den Wind drehen. Das Gegenteil bei wenig Stabilität. > Ich meine, es muß für den Anstellwinkel auch andere Gründe geben. Zum Beispiel Turbulenzen im Abgasstrahl oder Abweichungen der Rakete von einer idealen Symmetrie. Mit Sicherheit gehört das auch dazu. > Der Seitenwind mag ja eine gewisse Rolle spielen, aber in erster Linie führt er dazu, daß eine stabile Rakete schräg in den Wind fliegt, und zwar auf einer stetigen Kurve. Richtig. Gäbe es keinen Anstellwinkel, hätte die Rakete keinerlei Motivation überhaupt zu rotieren. Und warum sollte die Motorexzentrizität die Rakete ausgerechnet in den Wind führen? Der Motor kriegt doch als letzter mit woher der Wind weht. > Außerdem behaupte ich, daß der Wind die Rakete "seitlich wegschiebt", was natürlich eine untergeordnete Bewegung ist und durch die geneigte Flugbahn überkompensiert werden kann. Natürlich, ist aber für eine Stabilitätsdiskussion uninteressant, da wir uns ja mit der Rotation der Rakete beschäftigen. Ob sie sich dabei seitlich verschiebt oder nicht ist relativ egal. (Wobei man bei horizontalen Relativgeschwindigkeiten natürlich auch wieder in gewisser Weise den Anstellwinkel verändert) Christoph, die Überschlagrechnung sieht so aus dass sie ab einem gewissen Grad numerisch instabil wird. Ich muss mir die numerische Integration in Excel nochmal genauer anschauen (und Runge-Kutta anwenden statt simples Aufsummieren). Sobald die Rechnung funktioniert können wir uns über aerodynamische Beiwerte usw. unterhalten, bis dahin um etwas Geduld. Oliver
Geändert von Oliver Arend am 12. Januar 2007 um 18:12
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